Foodfotografie: Dummy-Eis aus Fett und Speisestärke – September

Wärmende Suppen, kühlende Drinks – 7 Monate lang war alles echt, was die Teilnehmer des Seelenwärmer-Foto-Projekts für die Monatsaufgaben fotografiert haben. Naja, stimmt nicht so ganz, denn beim dampfenden Tee und beim Kondenswasser an den Gläsern habt ihr schon ein wenig schummeln dürfen. Jetzt aber nähern wir uns der hohen Kunst, Eis zu fotografieren. Hier erfahrt ihr, wie ihr Dummy-Eis aus Pflanzenfett und Speisestärke herstellen könnt – in der Sonne und unter den heißen Fotolampen schmilzt das jedenfalls nicht so schnell wie echtes Eis.

Wer echtes Eis fotografieren will, muss schnell sein

susan_schokoeis_frieren_schwitzen_kIn der Foodfotografie streiten sich die Geister: Die einen schwören darauf, nur echte Lebensmittel zu fotografieren, und lehnen alles Künstliche und Geschummelte ab. Die anderen sagen: „Das Essen soll so appetitlich wie möglich aussehen, damit die Leute das Produkt kaufen oder das Rezept nachkochen wollen.“

Schöner Schein: Da Lebensmittel und Speisen nicht immer perfekt aussehen, greifen Foodstylisten und Foodfotografen auch schon mal in die Trickkiste, um die Bilder zu optimieren.

Bildbearbeitung: Zum alltäglichen Geschäft gehört es schon, die Food-Fotos nachträglich im Computer zu bearbeiten. So verschwinden störende Krümel, Fussel und Schlieren. Was zu dunkel ist, wird heller – und umgekehrt. Und wenn das Rot der Erdbeeren knackiger aussehen soll, lässt sich das auch leicht ändern.

Mit etwas Übung ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten der Manipulation: Wer die Mühe nicht scheut, kann so auch die wärmende Suppe oder den heißen Tee erst auf dem Foto „dampfen“ lassen.

Eisfotos sind die Königsdisziplin, denn nachträglich lässt sich mehr viel retten, wenn das Eis erst mal geschmolzen ist. Der Foodfotograf Günter Beer erzählte mir im Interview, dass er nur echtes Eis nimmt, wobei dann alles sehr schnell gehen muss: „Aber eine Minute hat man immer.“

Frieren im Fotostudio: Der Foodstylist Johannes Schalk sorgt zwar vor, indem er das Studio kühlt oder gleich in einem Kühlcontainer arbeitet. Mir wäre das viel zu kalt, aber Frauen frieren ja auch schneller als Männer. Da das Fotografieren von echtem Eis nicht immer zu optimalen Ergebnissen führt, greift der gelernte Koch mitunter auch zum Dummy-Eis, das er aus Margarine und Stärke mischt.


Schummeln mit Eis – dazu wollen wir die Teilnehmer zum Abschluss des Seelenwärmer-Foto-Projekts hiermit ganz offiziell ermutigen. Aber ganz so einfach ist das nicht, denn auch bei Fotos von Dummy-Eis gibt es einiges zu beachten.

Cooler Tipp: Am besten schaut ihr euch echte Eiskugeln noch mal ganz genau an und überlegt, woran man denn überhaupt erkennt, dass es ein Eis ist – und dass es ein kaltes Eis ist. Die Auflösung findet ihr unten.


Dummy-Eis: Rezept mit Pflanzenfett und Speisestärke

susan_erdbeereis_dummy_frieren-schwitzen_kSusan Brooks-Dammann zeigt in ihrem September-Tutorial, wie sie gefaktes Eis herstellt. Ihre Anleitung ist zwar mit einem Passwort geschützt, aber die Zutaten darf ich hier verraten:

  • gehärtetes Pflanzenfett
  • mehrere Päckchen Puderzucker und / oder Speisestärke
  • Kaffeepulver für die Vanillepünktchen im Vanille-Eis
  • Kakaopulver zum Untermischen fürs Schokoladen-Eis
  • rote und ein wenig gelbe Lebensmittelfarbe fürs Erdbeer-Eis

Das Dummy-Eis knetet Susan in reißfesten Gefrierbeuteln, dabei sind Gummihandschuhe hilfreich. Mit dem Eisportionierer formt sie Kugeln und arrangiert sie in einer kleinen Glasschüssel oder in einer (echten) Eiswaffel.

Damit es auf dem Foto nachher so aussieht, als ob das Eis schon etwas geschmolzen ist, mischt Susan ein wenig von der festen Masse mit Bastelkleber. Die dickflüssige Mischung klebt sie so auf die Eiskugeln, dass sie wie Tropfen herunterläuft. Mit Streuseln, Schokosauce oder echten Erdbeeren dekoriert sieht das Dummy-Eis auf ihren Fotos dann richtig lecker aus.

Food-Fotos: 3 Kriterien für ein perfektes Eis

vanille_eis_frieren_schwitzen_kEin gefaktes Eis sollte so natürlich wie möglich aussehen, damit wir es als „echt“ wahrnehmen. Doch worauf müsst ihr achten, damit selbst Profis nicht merken, dass ihr geschummelt habt?

In dem Buch „Foodstyling“ von Linda Bellingham aus Oregon / USA, das mir Susan empfohlen hat, fand ich die Antwort darauf. Im Kapitel „Ice Cream for Hot Lights“ gibt die Autorin eine Schritt-für-Schritt-Anleitung fürs Eisstyling und weist dabei auch auf mögliche Fehler hin.

Ein perfektes Dummy-Eis, das mit einem halbkugeligen Eisportionierer ausgestochen wurde, …

  • … hat eine brüchige Oberfläche, weil Tiefgefrorenes hart ist und der Eislöffel über das feste Eis gezogen wird – und nicht wie in eine weiche Masse eintaucht
  • … zeigt eine Einkerbung am unteren Rand der Halbkugel – und zwar vom Eindrücken des Eisportionierers, wobei noch etwas Eis nach außen überquillt
  • … sieht angeschmolzen aus, wobei das dickflüssige Eis von den brüchigen Stellen nach unten in die runde Einkerbung läuft – und von dort aus möglicherweise außen an der Waffel oder an der Schale bis auf den Untergrund oder auf die Hand heruntertropft.

Zum Dahinschmelzen: Der Foodfotograf Günter Beer hat mir übrigens noch verraten, wie er das Anschmelzen bei echtem Eis simuliert, ohne dass ihm gleich alles zur Sauce verrinnt: „Das Eis einfach kurz anhauchen.“ Das werde ich dann auch gleich mal ausprobieren…


Fotos auf Verpackungen: Geschönte Bilder sind nicht erlaubt

Schummeln oder nicht? Zumindest für Abbildungen auf den Verpackungen von Lebensmitteln gibt es klare Richtlinien, die im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) festgelegt sind. Dort steht:

  • Die Verpackung muss in Bild und Text über die tatsächliche Beschaffenheit des Produkts informieren.
  • Die Bilder dürfen die Verbraucher nicht täuschen.
  • Verboten sind irreführende Bezeichnungen und falsche Angaben.

„Klarheit und Wahrheit“ – so heißt eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die das Internetportal www.lebensmittelklarheit.de fördert. Dort können Verbraucher Produkte melden, von denen sie sich getäuscht fühlen. Ich habe 54 Seiten durchgeklickt, aber kein kritisiertes Eisfoto gefunden – vielleicht weil die Eishersteller tatsächlich echtes Eis nehmen, um keinen Ärger zu bekommen.


Fotos: Susan Brooks-Dammann