Food-Fotografie mit Günter Beer – Workshop-Bericht

Zufälle gibt es bekanntlich ja nicht. Daher freute es mich umso mehr, dass ich Günter Beer nach vielen Jahren auch mal persönlich kennengelernt habe. Der Food-Fotograf, der mittlerweile in der Nähe von Barcelona lebt, hatte 1997 Hunderte von Bildern für „Culinaria Spanien“ gemacht – ein tolles Kochbuchprojekt, zu dem ich damals einen ganz kleinen redaktionellen Teil beigetragen habe. Jetzt war der Feinschmecker-Fotograf in München, und so passte es sich gut, dass ich für das Seelenwärmer-Foto-Projekt an seinem Workshop teilnehmen konnte.

Vor- und Nachteile von verschiedenen Beleuchtungen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die schriftliche Ankündigung des Hands-on-Workshops hatte der Veranstalter etwas irreführend formuliert, weil das Mitbringen der eigenen Kamera letztlich nicht notwendig war. Alle Teilnehmer dokumentierten die Setaufbauten entweder mit ihren Handys oder mit kleinen Kameras, die sich nicht mit Studioblitzen synchronisieren ließen – so wie es in der Workshop-Beschreibung ursprünglich gefordert war.

Das Gute daran: Wir hatten keinen Stress mit den vielen Kameraeinstellungen und konnten uns in dem 3 Stunden dauernden Workshop voll auf das konzentrieren, was uns Günter Beer mit einer wirklich bemerkenswerten Profi-Geschwindigkeit anschaulich zeigte und erklärte.

Zur Einführung erfuhren wir bei einer kurzen Foto-Präsentation, wie sich die Food-Fotografie in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Der nachfolgende Praxisteil war voll gepackt mit Infos über die Arbeit mit natürlichem Licht, Blitzlicht und Studiolampen.

Teil 1: Natürliches Licht unter freiem Himmel

Mit dem Fotografieren ging es draußen los – unter dem Glasdach im Innenhof, den leider nicht jeder sein eigen nennen kann. Aber es lohnt sich, einen solchen Ort zu suchen, denn er eignet sich bei bedecktem Himmel wunderbar fürs Fotografieren im hellen, trockenen und windgeschützten Raum.

Als Übungsobjekte wählte Günter Beer zuerst eine aufgeschnittene Papaja und ein Glas Mangosaft, später waren es eine rote und eine grüne Ochsenmaultomate – also alles kühlende Lebensmittel, die der Food-Fotograf in Kombination mit einer türkisfarbenen Serviette auf einem hellen Holzbrett bzw. auf einer rechteckigen Schieferplatte präsentierte. Somit unterstützten die kühlen Farben der Deko und der Untergründe die thermische Wirkung des Essens.

Das Food-Styling und die Deko fielen zwar recht schlicht aus, aber das machte uns nichts. Denn in dem Workshop wollten wir ja vor allem unterschiedliche Lichtsituationen für die Food-Fotografie kennenlernen.

guenter_beer_frieren_schwitzen_xxDie verschiedenen Einstellungen präsentierte Günter Beer jeweils auf dem Bildschirm eines angeschlossenen Notebooks. Hier der Set-Aufbau:

  • natürliches Licht von oben durchs Glasdach
  • mit der Kamera synchronisierte Studiolampe in 11-Uhr-Position zur Kamera-Objekt-Achse
  • weißer Aufheller auf Tischhöhe unterhalb der Kamera
  • silberner Aufheller von oben
  • Kamera, teilweise mit Polfilter

Für die Teilnehmer, die sich speziell für die Food-Fotografie eine gute Kamera anschaffen wollen, hatte Günter Beer einen Tipp parat: „Ich fotografiere seit vielen Jahren mit einem Split-Screen-Objektiv. Daher würde ich immer erst das Objektiv auswählen und danach die dazu passende Kamera.“

Teil 2:  Das Naturlicht im Studio nachahmen

guenter_beer_frieren_schwitzen_Um unabhängig vom Tageslicht zu sein, zeigte uns der Food-Fotograf einen Setaufbau im Studio, der zu ähnlichen Ergebnissen wie draußen führte. Die Tageslichtlampe mit Softbox und Diffusor befestigte er so am langen Arm des Stativs, dass sie durch das Gegengewicht fest über dem Objekt positioniert blieb.

Die eigentliche Lichtquelle war wieder die Lampe in 11-Uhr-Position. „Die Beleuchtung soll so aussehen, als ob kein Licht gesetzt ist“, so Günter Beer, der übrigens meint, dass Fotografen, die aus Prinzip nur mit Naturlicht arbeiten, im Grunde nur Angst vor dem Blitzen hätten.

Teil 3: Zwei flache Lichtquellen als Zange

Im nächsten Schritt ging’s um eine Lichtsituation, die sich unter anderem für Suppen eignet, was ja zu den April-Aufgaben beim Seelenwärmer-Foto-Projekt gehört. Als Ersatz für die liebevoll gekochte Tomatensuppe mussten passierte Dosentomaten herhalten. Inmitten des randlosen, flachen Suppentellers schwamm eine rohe, rote Ochsenmaultomate.

Mit diesem einfachen Szenario demonstrierte Günter Beer die Zange, also zwei weiche Lichter mit identischer Leistung hinter flachen Softboxen: „Der Effekt zeigt sich am besten, wenn die Lampen parallel zur Tischkante ausgerichtet sind und der Schirm an der Unterkante der Tischplatte beginnt.“

Teil 4: Ringblitz für runde Reflexionen auf dem Teller

guenter_beer_frieren_schwitzen_xxxWie sich eine gewöhnliche Supermarkt-Schokoladentorte ins rechte Licht setzen lässt, demonstrierte der Food-Fotograf anhand eines Ringblitzes. Das Kameraobjektiv befestigte er so in der Mitte, dass das Blitzlicht zwischen den beiden ringförmig ausgeschnittenen Diffusoren hin- und herreflektierte und schließlich die Torte auf dem weißen, flachen Teller belichtete.

„Ringförmige Reflexionen auf dem Geschirr lassen sich nur mit einem Ringblitz erzielen“, so Günter Beer. „Dieser Effekt eignet sich auch für große Essteller mit mehreren Kleinigkeiten darauf und für Suppenteller mit flachem Rand.“

Zitate zur Food-Fotografie, die zum Nachdenken anregen

Während des Seminars stellten die Teilnehmer viele Fragen, die Günter Beer geduldig und ausführlich beantwortete. Zwischendrin fielen ein paar Sätze, die alle angehenden Food-Fotografen zum weiteren Nachdenken anregen könnten:

  • Die Food-Fotografie ist eine schnelle Fotografie, denn je kälter das warme Essen wird, desto mehr verändert es sich.
  • Wenn der Koch das Gemüse fürs Rezept kocht, fotografiere ich es nicht halb-gegart.
  • Die Auftraggeber und die Betrachter müssen das Foto mögen, daher gibt es bei der Food-Fotografie kein Richtig oder Falsch.
  • Bei Modefotos heißt es oft: „Das ist ja toll fotografiert.“ An einem guten Food-Foto mäkeln die Betrachter aber oft herum. Ganz nach dem Motto: „Zu einem Ceasar-Salad würde ich aber keinen Apfel nehmen.“
  • Die Leute, die ein Kochbuch kaufen, wollen sehen, wie das gekochte Essen aussieht – und nicht, welche Gabel am besten dazu passt.

guenter-beer_portraet_frieren_schwitzen_Günter Beer arbeitete als Foto-Reporter und Modefotograf, bevor er sich der Food-Fotografie widmete. Seine Bilder veröffentlichte er in 40 Kochbüchern (unter anderem mit Eckhart Witzigmann), die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 16 Jahren fotografiert er für den Feinschmecker, seit 2009 produziert er auch eigene Food-Apps. Ein weiteres Highlight seiner Karriere ist das Food-Foto-Festival, zu dem er bereits zweimal namhafte Food-Fotografen nach Spanien eingeladen hat.


Trend zu unperfekten Food-Fotos

Zum Abschluss des Seminars fragten wir, wohin der Trend in der Food-Fotografie wohl gehen wird. Bei seiner Antwort bezog sich Günter Beer auf das Cover-Foto von „Culinaria Spanien“ und erklärte:

„Früher haben wir zwei Kisten Orangen gekauft und so viele Orangen halbiert, bis endlich eine dabei war, die nach dem Schnitt perfekt aussah. Heutzutage wissen die Betrachter, dass sich mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen alles makellos darstellen lässt. Der Gegentrend dazu lässt sich an den professionell gemachten Handy-Fotos ablesen, am Spiel mit Schärfe und Unschärfe und den scheinbar unperfekten Bildern, für die auf Tellern und Tischen herumgekrümelt wird.“

Nach dem empfehlenswerten Workshop gab es für alle Teilnehmer der gut besuchten Fotoseminare, zu denen der Veranstalter an diesem Tag eingeladen hatte, ein abendliches Büffet. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich zwischen den Desserts auch die fotogene Schokoladentorte wieder entdeckt. Da ich aber ihren beruflichen Werdegang bereits kannte, habe ich den Tag dann doch lieber mit einem anregenden Plausch mit Günter Beer ausklingen lassen.

Fotos: Karin Hertzer (4), Günter Beer (1)

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