Das Gießkannen-Prinzip: „Liebe Bloggergemeinde…“

Jetzt muss ich mal etwas Dampf ablassen. Anlass dafür ist eine Pressemeldung an die „Liebe Bloggergemeinde…“, die sich vor ein paar Tagen unter meine Mails schummelte. Kurz darauf hörte ich von einem Aufruf von Mike Schnoor zu einer Blogparade. Das Thema: Blogger-Relations. Sprich: Wie gehen Firmen auf Blogger zu? Als Gesundheitsjournalistin und Bloggerin hätte ich dazu tatsächlich etwas zu sagen, was vielleicht einige PR-Leute von Firmen zum Nachdenken anregt – das würde mich jedenfalls freuen.

Klappern gehört zum Handwerk

Als Gesundheitsjournalistin bin ich schon so einiges gewöhnt, denn immer wieder landen ungefragt Pressemeldungen und Werbemails bei mir. Na klar, etwas bin ich vielleicht selbst daran schuld, weil mein Name und meine Adresse in vielen Medien auftaucht und ich mich mit meinen Angeboten in mehrere Presseverzeichnisse und Datenbanken habe eintragen lassen.

Im Laufe von 20 Berufsjahren kann ich es ja auch kaum verheimlichen, dass ich regelmäßig für Zeitschriften- und Buchverlage arbeite. Wenn ich im Netz nicht leicht gefunden werden könnte, wäre das auch ein Jammer, denn wie sonst könnte ich als Selbständige weiterhin spannende und gut bezahlte Aufträge bekommen? Klappern gehört schließlich zum Handwerk.

Ende 2012 habe ich mit dem Bloggen angefangen. Auch im Gesundheitsbereich, aber eben nicht hauptberuflich, sondern in meiner Freizeit – abends und am Wochenende, wann immer etwas Zeit und Muße bleibt. Optimal wäre ein Sponsor, der meinen Blog mit seinen Nischenthemen Frieren & Schwitzen finanziert, damit ich ohne Blinke-Blinke-Anzeigen das publizieren kann, was mir ganz persönlich und als erfahrene Gesundheitsjournalistin am Herzen liegt – in Hinblick auf unsere körperliche Wohlfühltemperatur, unsere Kleidung und Ernährung, die Unbillen des Wetters, das Sparen von Heizungsenergie und letztlich den Klimawandel.

So kann keine Firma einen Blumentopf gewinnen

Und dann das: Vor ein paar Tagen kam mir wieder mal eine Pressemitteilung ins Haus geflattert – dieses Mal ging sie aber nicht an mich als potentiell interessierte Gesundheitsjournalistin, sondern an die „Liebe Bloggergemeinde…“

Blumentopf Paris 2009 frieren schwitzen_Schon allein die Anrede machte mich fuchsig. Danach wurde es aber auch nicht viel besser, weil das Thema völlig an dem vorbeigeht, was mich beruflich und als Bloggerin interessiert. „Kosmetik von innen“ gehört nun mal nicht zu meinen Steckenpferden, das lässt sich auf meiner Business-Webseite und auf meinem – nämlich diesem – warmup-cooldown-Blog ganz schnell recherchieren.

Noch plumper fand ich die vage Hoffnung der Mail-Schreiberin, dass ihr Thema „Einzug in die redaktionelle Berichterstattung finden“ könnte. Pustekuchen! Mit dem Gießkannen-Prinzip funktionierte das noch nie – weder bei der konventionellen Pressearbeit noch im Rahmen der Blogger-Relations.

Blogger vernetzen sich

Ich lasse hier mal den Firmennamen weg, aber die Mail möchte ich Ihnen trotzdem nicht vorenthalten (siehe unten). Sie können aber davon ausgehen, dass ich darüber offen und ehrlich beim nächsten Münchner-Blogger-Stammtisch berichten werde, den ich dieses Jahr ins Leben gerufen habe. Dort treffen wir uns mit Bloggerinnen und Bloggern, die sich mit viel Herzblut ganz unterschiedlichen Themen widmen – angefangen von Kinder & Familie und Regenbogenfamilien über spanische Spezialitäten und München-querbeet bis hin zu Kreuzfahrten und Verdienstmöglichkeiten von Online-Journalisten.

Mousepad frieren schwitzenAußerdem bin ich bei unserer Google-plus-Community „Profi-Blogger“ aktiv, wo wir uns bundesweit über alles rund ums Bloggen – also auch solche Gießkannen-Pressemails – rege austauschen. Mein Credo: Je besser sich die Blogger vernetzen, desto eher werden wir darauf aufmerksam, wie einige Firmen versuchen, uns zu vereinnahmen.

Sicherlich gibt es auch die einen oder anderen Blogger, die sich durch Null-Acht-Fünfzehn-Werbemails angesprochen fühlen – aber auch nur dann, wenn das Thema genau zum Blog passt. Alles andere ist wirklich vergebliche Liebesmüh!

Hier also der gekürzte Wortlaut der Mail von Firma X – danach hätte ich noch ein paar Vorschläge, wie man’s besser machen könnte.


Liebe Bloggergemeinde,

immer wieder der Kampf mit glanzlosem Haar, unschöner Haut und dem ein oder andere Pickelchen, das einfach nicht verschwinden mag? Dann wird es Zeit einmal etwas Neues auszuprobieren: Nichts wie ran an Zink! …

Im Anhang sende ich Ihnen Text- und Bildmaterial zu dem neuen Gesundheitskick aus dem Hause X. Wir freuen uns, wenn das Thema interessant für Sie ist und Einzug in die redaktionelle Berichterstattung findet.

Ausprobieren geht über Studieren – sehr gerne lassen wir Ihnen eine Dose X Zink plus zum Testen zukommen. Bitte schicken Sie uns die gewünschte Lieferadresse.

Bei Rückfragen oder wenn Sie weitere Informationen benötigen sind wir immer gerne für Sie da.

Viele Grüße, XXX


Test-Center für passende Produkte

SOS-Säule frieren schwitzenDie Idee, mir ein Produkt zum Testen zukommen zu lassen, finde ich gar nicht mal so schlecht. Aber Hand aufs Herz:  Welcher Blogger hat eine „Lieferadresse“? Da stimmt die Wortwahl schlichtweg nicht – und solche vermeintlichen Kleinigkeiten zeigen, dass Frau XXX keinen blassen Schimmer davon hat, wie Blogger leben, arbeiten und ticken.

Bislang habe ich es umgedreht gemacht: Ich schreibe die Hersteller von wärmenden Produkten an, die mich interessieren und die Raynaud-Patientinnen für meinen Blog testen werden. Die Produkte kamen per Post – zusammen mit den ausführlichen Mailantworten auf meine Fragen. Das hat bislang gut geklappt – mit zwei Ausnahmen:

  1. Die Pressefrau einer Firma fragte nach, wie ich mit negativen Bewertungen umgehen werde. Darauf habe ich erst mal etwas ausweichend geantwortet – ich werde mir aber vorbehalten, das Ergebnis trotzdem zu veröffentlichen.
  2. Eine andere Firma möchte nicht teilnehmen, weil es sich bei ihrer Fußwärmecreme um ein „saisonales Produkt“ handelt. Das hätte ich ehrlich gesagt auch nicht anders erwartet, weil ja nur sehr wenige Menschen im Hochsommer kalte Füße haben und sie dann mit einer Wärmelotion eincremen würden. Meine Lösung: Ich kaufe die (recht preisgünstige) Creme selbst, suche mir die Inhaltsangaben aus dem Netz oder von der Verpackung zusammen und lasse sie trotzdem testen.
Meine Wunschliste mit 6 heißen Tipps für gute Blogger-Kontakte

Liebe Firmen, wenn Sie daran interessiert sind, mit Bloggern gut und langfristig zusammenzuarbeiten, würde ich Sie bitten, folgende Punkte zu beachten:

  1. Informieren Sie sich über Ihre Zielgruppe: Wie ticken Blogger? Welche Sprache sprechen sie? Was unterscheidet sie von Journalisten und Redakteuren?
  2. Lesen Sie regelmäßig verschiedene Blogs: In welchen Punkten ähneln sich die Blogs? Was unterscheidet sie? Welche Ideen gefallen Ihnen besonders gut?
  3. Recherchieren Sie genau, über welche Themen Ihre Newsletter-Adressaten schreiben: Welche Blogger interessieren sich für Ihre Produkte? Wie berichten Sie darüber? Was könnte sie motivieren, über Ihr Angebot zu schreiben?
  4. Schreiben Sie die wichtigsten Meinungsmacher persönlich an. Aber auch Blogger mit Nischenthemen freuen ich, wenn sie als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen werden.
  5. Versetzen Sie sich in die Lage der Blogger, die in ihrer Freizeit mit viel Herzblut über ihr ganz persönliches Thema oder Hobby schreiben: Was gibt es Lustiges aus Ihrer Firma, über Ihre Produkte oder Ihre Kunden zu berichten? Über welche Themen diskutieren Ihre Kunden kontrovers bei Facebook oder Twitter? Welche Hintergrund-Info könnte Blogger dazu anregen, sich ganz eigene Gedanken über Ihr Anliegen zu machen?
  6. Laden Sie Blogger zu einem Online-Event ein: Welche Social-Media-Kanäle bespielen Sie so aktiv, dass es sich Blogger lohnen könnte, sich dort einzuklinken? Welcher Wettbewerb würde sich anbieten, um Blogger zum Mitmachen zu motivieren? Und umgekehrt: Welche Blogger gefallen Ihnen so gut, dass Sie sie mit einem Online-PR-Auftrag oder der Organisation eines Online-Events betreuen könnten?

In diesem Sinne freue ich mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit!

Fotos: Karin Hertzer (2)

2 Kommentare

  • Birgit Kuhn

    Ein wirklich guter Beitrag, der die Verhältnisse auf den Punkt bringt. Vielen Dank, Karin Hertzer!
    Ich kann die Ausführungen nur bestätigen: Wir von muenchen-querbeet.de erhalten sogar hin und wieder Mails ohne persönliche Anrede und ohne Kontaktadresse bzw. Firmenadresse, an die man sich wenden kann. Da heißt es einfach, wie erst gestern passiert, „sehr geehrte Damen und Herren“, dann kommt das Anliegen „ich würde mich sehr freuen, wenn beiliegende Pressemitteilung bei Ihnen Beachtung fände. Es geht um…“, dann der Gruß mit dem Namen – ohne Firmenadresse! Die Anhänge fallen dafür recht üppig aus – Pressemitteilung, Fotos…
    Liebe Firmenvertreter, so geht es nicht! Jeder erwartet eine professionelle Berichterstattung. Wir wiederum erwarten zumindest eine professionelle Kontaktaufnahme – dann sehen wir weiter.
    In diesem Sinn auf gute Zusammenarbeit!
    Birgit Kuhn

    • Über das Thema werden wir beim Münchner Blogger-Stammtisch auch noch mal ausführlicher sprechen. Da ich ja auch selbst Pressearbeit anbiete, weiß ich, wieviel Arbeit solch eine Aussendung macht. Wenn man aber mit einer luschigen Pressemeldung die Blogger bzw. Journalisten nur vergrellt, hat sich der ganze Aufwand nicht gelohnt. Daher ist es besser, lieber wenige Ansprechpartner persönlich zu informieren als einen Rundumschlag zu machen, der den gegenteiligen Effekt hat. Vielleicht hat das alles mit Respekt zu tun, den auch wir – die Blogger – von Firmen erwarten. Auf Augenhöhe lässt es sich eben besser zusammenarbeiten.

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